Lieferung innerhalb 1-3 Werktage
Bezahlmöglichkeiten
Vorbestellung möglich
Kostenloser Versand*

Ein Buch entsteht - die Umschlaggestaltung

Autor Timon Karl Kaleyta über die Entstehungs seine Covers

Die Geschichte eines einfachen Covers

Als der Piper Verlag und ich uns im Sommer 2019 einig wurden, gemeinsam ein Buch zu machen, einen einfühlsamen Roman, war mir unmittelbar klar, wie ein solches Buch aussehen, wie es gestaltet sein würde. Kein Zweifel, das Cover musste der Eindeutigkeit halber mich zeigen, den Autor selbst.

Ich besaß bereits das perfekte Motiv dafür, jüngst geschossen. Es zeigte mich, wie ich, auf dem Rücken liegend, mit der linken Hand meine Augen vor der grellen Sonne schützte - besser ließe sich mein künftiger Roman doch gar nicht illustrieren! Der Verlag würde es lieben, da war ich mir sicher, vor allem würde man sich in München darüber freuen, einen so unkomplizierten Autor unter Vertrag genommen zu haben, einen der mitdachte und alles schon mitbrachte.
 

„Sehr geehrter Herr Kaleyta“, bekam ich jedoch als Antwort, „eine sehr gute Idee. Und Sie sehen natürlich fabelhaft aus, wenn wir das so sagen dürfen. Leider jedoch ist Ihr Gesicht für das Buch nicht brauchbar. Gänzlich ungeeignet sogar. Sie schreiben ja einen ROMAN, nicht wahr? Fiktion! Da können wir als seriöser Verlag doch nicht Sie selbst vorne draufdrucken… Verstehen Sie das?“ 

Zwar verstand ich es überhaupt nicht, das eine hatte doch mit dem anderen nichts zu tun, und schließlich war der Roman ja von mir, aber ich nahm an, dass die Damen und Herren des Piper Verlags wussten, wovon sie sprachen. „Etwas Gemaltes wäre doch schön“, schrieben sie weiter, „und Sie kennen doch so viele Künstler überall auf der Welt, Herr Kaleyta! Suchen wir doch gemeinsam nach etwas schönem Gemalten, ja? Das lieben die Leser.“

Ich machte mich gleich an die Arbeit und durchsuchte sämtliche mir bekannten Archive. Alte Bildbände, Portfolios befreundeter Künstler, Fotodatenbanken im Internet usf., und bald schickte ich Tag um Tag immer neue Vorschläge an den Verlag – doch immer wieder erhielt ich dieselbe Antwort: „Noch nicht ganz, Herr Kaleyta, leider ganz und gar nicht, wenn wir ehrlich sind. Ja, wir fürchten mittlerweile, Sie sind auf den Holzweg geraten…“

Ein andermal wieder glaubte ich, der Lösung endlich nahe zu sein, als ich in der Plattenkiste meines Vaters eine verstaubte Vinyl des Musikers Baxter Dury auffand, die einen Mann im weißen Anzug zeigte, der sich verzweifelt, Sisyphos ähnlich, inmitten einer unendlichen Sandwüste, meterhohe Dünen hochkämpfte. Dieses Motiv würde ich doch sicher einfach verwenden dürfen, oder, besser noch, ich würde sie persönlich eins zu eins nachstellen! Genau DAS war doch die Essenz meines Romans, der mittlerweile fast fertig war. 

Doch abermals hieß es: „Herr Kaleyta, es ist uns ein wenig unangenehm, und bitte verzeihen Sie, dass wir so deutlich werden müssen, aber das hat nun wirklich GAR nichts mehr mit Ihrem Buch zu tun. Ihr Roman spielt NICHT in der Wüste. Oder kommt da etwa noch eine Überraschung im letzten Kapitel? Nein? Verstehen Sie, wenn vorne Wüsten drauf sind, erwartet der Leser auch Wüsten im Buch…“ 

Nun, war ich endgültig ratlos, ließ das Projekt „Selbstbestimmte Cover-Gestaltung“ fürs erste ruhen und widmete mich der Fertigstellung des Manuskripts – hier wenigstens, beruhigte ich mich, würde es der Verlag ganz sicher nicht besser wissen. Und wann immer mich Rückfragen meines Lektors erreichten („Haben Sie nun endlich ein Motiv gefunden, Herr Kaleyta? Wir werden hier langsam nervös…“), ignorierte ich sie, so gut es ging, und beruhigte ihn mit den immer gleichen Ausflüchten. Und jedes Mal wieder glaubte er mir und gab es an seine Vorgesetzten weiter. Bis er die Nerven verlor.

„Wir haben nur noch einen EINZIGEN Tag Zeit“, flehte er mich eines Tages an. „Wenn wir nicht sofort etwas liefern, verliere ich meinen Job!“, und jetzt geriet endlich auch ich in Alarmbereitschaft, wollte ich doch unter keinen Umständen schuld sein, wenn mein Lektor, die gute Seele, meinetwegen seine Anstellung verlor. Die Sorge um ihn ließ mich nicht mehr los. Nur noch 24 Stunden, dann hätte ich nicht nur seine Existenz auf dem Gewissen, schlimmer noch, auch würde ich kein Wort mehr mitreden dürfen bei der Notgestaltung meines Buch-Covers, die ganz sicher abscheulich ausfallen würde.

Mit Angstschweiß auf der Stirn klickte ich mich durch die dunkelsten Seiten des Internets. Ich rief Freunde an, bei denen ich mich seit Jahren nicht gemeldet hatte, kontaktierte alte Bekannte, nahe und ferne Verwandte, in der vagen Hoffnung, einer von ihnen hätte gewiss die zündende Idee, aber niemand von ihnen verstand auch nur, was ich überhaupt wollte.

Es blieben bald nur noch zwei Stunden, schließlich eine Stunde, dann fünfzehn Minuten. „Herr Kaleyta, ich BITTE Sie, lassen Sie mich nicht hängen!“, schrieb mir mein Lektor verzweifelt, aber vermutlich glaubte er selbst schon lange nicht mehr daran. Ich ließ es nun einfach geschehen, am Ende des Tages waren ja auch Lektoren für sich selbst verantwortlich. Also scrollte ich zur Entspannung gedankenverloren bei Instagram herum, als ein Foto von besonderer Anmut mich aus den Träumereien holte.
Es zeigte ein mir vertrautes Gesicht. Ein Gesicht, das ich in den letzten Jahren so viele Male gesehen hatte, das Gesicht meines lieben Freundes Tilman, den ich in den langen Berliner Sommermonaten mit großer Regelmäßigkeit besuche, weil er – das Schicksal meinte es gut mit ihm – in einem stattlichen Anwesen bei Köpenick residiert, mit direktem Zugang zum Müggelsee und einem mahagoni-beschlagenen Sportboot. Ich hatte ihn schon oft auf Fotos gesehen, Fotos, die ihn am Steuer seines Bootes zeigten, aber dieses Foto war mir vollkommen neu. So verletzlich, so menschlich, so nahbar hatte ich ihn, noch nie zuvor gesehen, wie er so dalag, bekleidet mit nichts als einer Badehose, mit geschlossenen Augen und weit ausgebreiteten Armen in Gedanken mäandernd auf einer Luftmatratze wogend, genau wie Jesus am Kreuze.
Das Foto besaß eine immense Wucht, und mit letzter Kraft schickte ich meinem Lektor einen verwackelten Screenshot. 
 

„DAS IST ES!“, schrieb er mir in unendlicher Dankbarkeit zurück. „ABER JA! DAS IST ES! DAS IST DER PROTAGONIST AUS IHREM ROMAN! KEINE WÜSTEN! KEINE SELBSTPORTRÄTS MIT SIEGELRING! DAS IST ES!“ Und nur wenige Augenblicke später prasselten die Glückwünsche und Danksagungen der gesamten Belegschaft des Verlags bei mir ein. Das Foto hatte in Windeseile die Runde gemacht, und ein jeder, von der Empfangsdame bis zur Geschäftsführung, wollte mir nun als Erstes gratulieren.
Nur eines fehlte noch, wir hatten es in der Euphorie fast vergessen. Ein Kunstwerk sollte es doch sein, ein Unikat, schließlich kannte ich doch so viele Künstler, überall auf der Welt! 

Sofort rief ich meinen Freund, den belgischen Künstler Rinus Van de Velde in Antwerpen an, von dem ich hoffte, dass er mir noch einen Gefallen schuldig war. Er, der nicht nur für seine viele Meter großen, fotorealistischen Kohlzeichnungen sowie für seine ganz feinen, mit Buntstift gesetzten Zeichnungen weltberühmt geworden ist, sondern auch für seine ausgesprochene Freundlichkeit, sagte sofort zu.

Ich schickte ihm die Fotografie meines Freundes Tilman, hörte eine Woche lang keinen Laut von ihm und machte mir bereits Sorgen, als es an der Tür klingelte und mir der Postbote das so wertvolle und sorgsam in Seidenpapier, Schaumstoff und festen Karton verpackte Kunstwerk übergab.

 

Es war ein Wunder! Die an sich schon überwältigend schöne Fotografie war in ein Meisterwerk verwandelt worden – unnachahmlich strahlten nun die Farben, noch betörender und lebensnaher funkelte das Wasser des Müggelsees unter der Luftmatratze, sodass es nun aussah, als treibe mein Freund auf purem Quecksilber dahin. Man musste schon mit der Lupe hinsehen, um zu erkennen, dass es sich um eine Zeichnung handelte, ein artifizielles Meisterstück, pure Magie, schöner als alles, was ich bislang aus der Hand Van de Veldes gesehen hatte. Der Meister hatte sich selbst übertroffen!

Ich ließ meinem Lektor alles Notwendige zukommen, und als das Bild schließlich die Büros des Piper Verlags im herrlichen München erreichte, da konnte ich – so wahr mir Gott helfe – die Champagner-Korken und Jubelschreie bis nach Berlin hören.

Ja, darauf hatten sie alle gewartet. Einmal mehr hatte ich sie nicht enttäuscht. 
Jetzt konnte überhaupt nichts mehr schiefgehen.
 

Montag, 18. Mai 2015 von Piper Verlag


Kommentare

Kommentieren Sie diesen Beitrag:

Mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtangaben und müssen ausgefüllt werden.