Heinrich Steinfest: Autorenporträt und Bücher
„Heinrich Steinfest zählt zu den originellsten Autoren, die es in Deutschland gibt.“ ― MDR Kultur
„Es geht das Gerücht Heinrich Steinfest schreibe Krimis. Ich finde Heinrich Steinfest schreibt die amüsanteste und intelligenteste Literatur unserer Gegenwart.“– Denis Scheck
„Alles, womit ich mich beschäftige, dient dem Schreiben. Alles ist Material für die Geschichten, an denen ich gerade arbeite. Was derzeit dazu führt, mich intensiv mit Gärtnerei auseinanderzusetzen beziehungsweise mit dem Entwerfen japanischer Gärten. Dazu kommt ein Interesse für die Stadt Hamburg, für die griechische Insel Euböa, die heilige Pelagia, für das Leben in Raumschiffen und das Leben in Sanatorien, sowie für Wolfshunde. Alle meine Interessen dienen der Materialbeschaffung.“ Heinrich Steinfest
SWR "lesenswert" mit Denis Scheck
Heinrich Steinfest im Interview
Wie sieht Ihr Schreiballtag aus?
Konventionell und büromäßig und diszipliniert. Ich fange in der Früh an, mache eine Mittagspause und höre am Abend auf. Das entspricht voll und ganz meinem Schreibzwang, der genau genommen das Gegenstück zur Schreibhemmung ist.
Wie finden Sie den perfekten ersten Satz für Ihr Buch?
Indem ich einfach einen ersten Satz schreibe. Spontan. Das ist ja immerhin die Singularität am Beginn eines Buches, der Urknall, aus dem heraus die Geschichte wächst und wächst. Einen Urknall kann man nicht bestimmen. Er ist einfach da. Eine Explosion im eigenen Kopf.
Welcher Autor/welches Buch hat Sie nachhaltig geprägt?
Das kann man schwer auf einen Namen und einen Titel reduzieren. Darum vielleicht in Kategorien.
Als Österreicher, der ich bin: Thomas Bernhard.
Als angstvoller Mensch, der ich bin: Franz Kafka.
Als jemand, der im Tragischen das Komische wahrnimmt: Friedrich Dürrenmatt.
Als Freund psychologischer Tiefe: Patricia Highsmith.
Als Stilist: Heimito von Doderer.
Als Hypochonder: Alle Bücher über Whisky und Malcolm Lowrys Unter dem Vulkan.
Als jemand, der gerne einen Philosophen an seiner Seite weiß: Wittgenstein mit seinem Tractatus und Robert Burton mit seiner Anatomie der Melancholie.
Als Kind, das ich noch immer bin: Donald Duck.
Als Betrachter von Landschaften: Adalbert Stifter.
Als Sucher von Namen: Grabsteine auf Friedhöfen, Telefonbücher und die Namenverzeichnisse wissenschaftlicher Arbeiten.
Was möchten Sie Ihren LeserInnen mit auf den Weg geben?
In einem meiner frühen Bücher schrieb ich: „Putze deine Küche, bevor es zu spät ist.“ – Dazu stehe ich noch immer, würde aber ergänzen, daß man in einer gut geputzten Küche auch noch ein gut geschriebenes Buch lesen kann.
„Steinfest erzählt lustvoll, klug, mitreißend. Er zelebriert das Skurrile, Geheimnisvolle im Alltäglichen.“
Markus Cheng stellt im Roman Der schlaflose Cheng fest, wie gut, wie perfekt seine Sekretärin Frau Wolf in den Vorraum seines Büros paßt, um jedoch am Ende dieses Romans einzusehen, daß er selbst es ist, der so überaus perfekt in diesen Raum und in die damit verbundene Rolle paßt. Er erkennt, daß er selbst der bessere Assistent und Frau Wolf die bessere Detektivin ist. Beide finden Erfüllung in der neuen Rolle.
Heinrich Steinfest über seine Cheng-Reihe
Worum geht es im neuen Buch der Reihe?
Es handelt von einem Mann namens Leo Prager, der vor 44 Jahren (an jenem Sonntag, an dem die Wiener Reichsbrücke einstürzte und Niki Lauda auf dem Nürburgring verunglückte) Wien verließ und nun, im Dezember 2019, zurückkehrt, um seine ermordete Schwester zu begraben.
Daran reiht sich eine Kette von Ereignissen, die diesen Mann die wahren Gründe für seinen damaligen Weggang erkennen lassen (und in der Tat, es geht auch um jene eingestürzte Brücke).
Nicht zuletzt spielt dabei ein kleiner, schmaler, längst vergessener Roman ein Rolle, mit dem Titel Die Möbel des Teufels.
Wie ist die Idee zur Reihe / zum Protagonisten entstanden?
Die Figur des Markus Cheng entstand – was ja wohl kein Zufall sein kann – nach eine langen Reise durch China, die ich 1989 unternahm, wobei es dann noch knapp zehn Jahre dauerte, bis die Figur ins fiktive Leben trat. Cheng ist freilich geborener Wiener und weist von Beginn an ein gestörtes Verhältnis zu seinen chinesischen Wurzeln auf, er sieht sich ganz im Wienerischen und Österreichischen beheimatet. Zu Recht.
Diese Figur und diese Serie begleiten mich nun also schon seit über zwanzig Jahren (mit zum Teil großen Abständen zwischen den Titeln, weil ja auch noch andere Romane zu verfassen waren). Die Cheng-Romane sind somit auch eine Geschichte vom Altern, von Veränderung und Entwicklung (der Figuren wie des Schreibstils), von Zerstörung, Heilung, vom Aufbegehren gegen das Schicksal und über das Phänomen des Vergessens wie der Erinnerns.
Wer sollte Ihr Buch lesen?
In der Widmung zu einem anderen, früheren Buch schrieb ich einmal: „Für alle außer Horst.“ Bei diesem Buch würde ich vielleicht sagen: „Auch für all jene, die Horst heißen.“
Heinrich Steinfest über seinen Roman Der Allesforscher
Die Illustration auf dem Umschlag Ihres neuen Romans Der Allesforscher ist von Ihnen, Sie arbeiten ja auch als bildender Künstler. Auf dem Foto rechts kann man einige Bilder von Ihnen sehen. Was verrät uns das Cover über das Buch?
Während der Arbeit an diesem Roman habe ich immer wieder kleine Collagen hergestellt und auf denen dann ein wenig herumgekritzelt. So wie man früher beim Telefonieren Zeichnungen verfertigt hat (die Älteren erinnern sich daran). Die Abbildung ist auf diese Weise sukzessive entstanden, sie ist um ein weißes Loch herum gewachsen. Im weißen Loch steht nun mein Name. Die Vignette illustriert eine Facette des Alles, welches von zwei meiner Figuren erforscht wird: von einem alten Mann und einem kleinen Jungen.
In Ihrem Roman geht es um den ungewöhnlichen neunjährigen Simon – den Allesforscher – und eine ungewöhnliche, aber sehr enge Vater-Sohn-Beziehung. Sie haben selbst einen Sohn – leihen Sie sich manchmal bei ihm einen kindlich-neugierigen, unverstellten Blick auf die Welt? Gibt es reale Vorlagen für Simon und seine außergewöhnlichen Begabungen und Besonderheiten ?
Die größte Inspiration für meine Bücher waren und sind meine Erfahrungen mit Kindern und Tieren. Die Figur des Simon ist aber nicht das Porträt eines bestimmten Jungen, den ich kenne. Er ist das Konzentrat aller Kinder, denen ich einmal begegnet bin: ihre Talente, ihr Vermögen, ihr Fremdsein und ihr Behindertsein in der Welt, die sie erforschen, nicht zuletzt ihre Verbundenheit mit dem Unsichtbaren. - Der Titel des Romans stammt von meinem Sohn. Unzufrieden mit dem Begriff des Universalgelehrten, habe ich ihn gefragt, wie er so jemand bezeichnen würde. Er hat sofort geantwortet: „Na, als einen Allesforscher natürlich“. Und ich habe sofort gewusst: „Wunderbar, so muss mein Roman heißen.“ Aus dem Titel ist dann die Geschichte geschlüpft.
Die Geschichte des Ich-Erzählers Sixten Braun beginnt mit einem surreal anmutenden, aber doch der Realität entliehenen dramatischen Ereignis: Er wird auf einer Geschäftsreise in Taiwan von den Innereien eines explodierenden Wals fast erschlagen. Im Internet kann man eine Videoreportage dieses Ereignisses finden. Wie gehen Sie beim Schreiben vor – sammeln Sie derartige skurrile Begebenheiten und lassen sich von ihnen zu Geschichten inspirieren?
Zuerst war da die Idee mit dem Wal. In der Folge habe ich festgestellt, dass etwas Derartiges tatsächlich geschehen ist. Also habe ich die Fiktion mit der Realität verbunden: die Begegnung des erfundenen Sixten Braun mit einem realen toten Wal. Einem Wal, der die Geschichte in Gang bringt. Nicht schlecht für jemand, der tot ist. Aber die Toten sind ohnehin sehr aktiv in diesem Buch.
Das Schicksal bestimmt massiv das sehr bewegte Leben Ihrer Figuren – die Begegnung mit der Liebe ihres Lebens, spektakuläre Unfälle, ein plötzlich auftauchender Sohn. Und dabei sinnieren sie: „Wir können nicht ausschließen, dass sich uns jemand ausdenkt“. Haben Sie sich die Geschichte Ihrer Figuren vor dem Niederschreiben ausgedacht, oder entwickelt sich deren Schicksal beim Schreiben ein bisschen von allein?
Der Roman ist für mich gleich einer Landschaft. Die Ereignisse sind so folgerichtig wie unvorhersehbar. Es keimt und sprießt, Dinge sterben, Dinge werden geboren. Der Roman hat sein eigenes Wetter. Meine Freiheit ist dabei, gewisse Teile dieser Landschaft zu meiden, andere aufzusuchen. Ein bestimmtes Detail zu studieren, ein anderes zu ignorieren. Meinen eigenen Blick zu entwickeln (meine Sprache ist ein fassbarer Ausdruck dieses Blicks). Wobei ich im Falle dieses Buchs am Ende des Weges umgekehrt bin, um ein neues Ziel anzusteuern. Ein besseres Ende zu schreiben.
Simon, der talentierte Kletterer, und sein Vater Sixten, der unter Höhenangst leidet, machen sich gemeinsam auf den Weg in die Tiroler Berge, in denen vor vielen Jahren Sixtens Schwester tödlich verunglückte. Auch Ihr eigener Bruder, dem das Buch gewidmet ist, starb beim Bergsteigen. Wie fand dieses Thema in Ihren Roman? Versuchen Sie Ihre Höhenangst ebenso wie Sixten zu überwinden?
Mein Bruder starb vor dreißig Jahren. So lange brauchte es, bevor ich anfing, mich mit seiner Leidenschaft für die Berge und das Klettern zu beschäftigen. Die Orte aufzusuchen, die sein Leben und Sterben bestimmt haben. Und war dabei gezwungen, meiner eigenen Höhenangst zu begegnen. Im Nachwort des Romans heißt es darum: „Der Irrtum wäre nur, zu meinen, man könne die Angst überwinden. Eher freundet man sich mit ihr an, um dann praktisch Seite an Seite mit der Angst zu klettern.“ Und so kam es, dass ich während dieser Romanarbeit ein paar Kilo verloren habe. Angst macht dünn.
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Sehr geehrter Herr Steinfest
Erst vor Kurzem habe ich Sie als Schriftsteller entdeckt, indem mich Ihr Buch 'Gewitter über Pluto' während des Stöberns auf dem winzigen Quartierflohmarkt gefunden hat. Aus einer sich eher versteckenden Kartonschachtel heraus - eine mit Inhalt der Sorte 'gratis' - hat es mich angestrahlt. Ein wahrer Glücksfall.
Ihre Bücher sind eine echte Bereicherung! Fantasievoll, spannend, anders, humorvoll, tiefgründig ..... schlicht GENIAL!
Aufgrund meiner Begeisterung habe ich mir erlaubt, in meinem privaten Blog
einen kurzen Beitrag zu schreiben:
http://livedaily.blog/2024/06/16/allesforscherminiaturen/